Unfreiwilliger Aufbruch
Es war eine nette Zeit. Sally und ich,
wir paßten gut zusammen. Tagsüber arbeitete sie und ich schlief
aus. Nachmittags kam sie dann nach Hause und brachte dabei immer ein
paar Flaschen Wein oder auch Gin mit, den wir uns mit Wasser und
Zitronensaft streckten. Wir tranken ein paar Stunden lang, bis ich
dann abends scharf wurde. Nun wurde ausgiebig gefickt und danach
weitergetrunken. Meist pennte Sally vor mir ein, weil sie ja am
nächsten Morgen wieder zur Arbeit mußte. Während ich weitertrank,
um mich von den ersten Vögeln zum Sonnenaufgang in den Schlaf singen
zu lassen. Es war das Paradies auf Erden. Ab und zu stieg ich schon
mittags aus dem Bett und latschte ein wenig in der Gegend rum, auch
wenn es immer ein ziemlicher Akt war, die Strickleiter runter- oder
hochzuklettern.
Bei Kerzenburg – so hieß der Ort, an
dem ich gelandet war – handelte es sich um ein verschlafenes Nest,
genauer gesagt um eine ringförmig befestigte Anlage mit hohen Mauern
drumrum. Innen drin war ein zweiter Mauerring. Wahrscheinlich konnten
sich so die feinen Pinkel, die es hier in der Gegend gab, bei einem
Angriff von außen in diesen zweiten Ring zurückziehen und die Türen
abschließen, um dann drinnen die guten Sachen allein auszutrinken,
bevor man sie massakrierte. Da jetzt aber Frieden war, konnte man
überall in der Burg herumspazieren, auch innerhalb dieses zweiten
Ringes. Oft standen dort ein paar religiöse Freaks, die Lieder
sangen oder Predigten hielten, welche kein normaler Mensch
nachvollziehen konnte. Manchmal setzte ich mich ins Gras und hörte
ihnen zu. Es beruhigte mich, nicht der einzige Wahnsinnige in dieser
Welt zu sein.
In der östlichen Gegend von Kerzenburg
gab’s einen Tempel mitsamt Priester. Dieser Priester hatte ein
langes blau-rotes Gewand an. Auf seiner Nase saß eine große, dunkle
Warze, aus der fünf dicke, spiralige, schwarze Haare wuchsen. Man
konnte bei ihm auch Medikamente zum Beispiel gegen Dünnpfiff oder
Kater kaufen. Nur fehlte mir dafür leider das Geld. Der Priester
hieß Jonny. Ich unterhielt mich oft mit ihm, denn es kam kaum
Kundschaft in seinen Laden. Jonny war die meiste Zeit deprimiert, was
an dem allgemeinen Werteverfall und der gottlosen Jugend lag. Er war
traurig über den Autoritätsverlust seiner Kirche. Die Leute wollten
keinen geistigen Rat mehr, sondern nur noch Präservative kaufen. Das
ging ihm ziemlich an die Nieren.
„Weißt du, Hank,“ sagte er zu mir,
„in der letzten Zeit geht alles den Bach runter. Früher habe ich
mit den Menschen über Gott geredet, man interessierte sich für die
höheren philosophischen Fragen. Man konnte über Ethik und deren
Begründung in der Erkenntnistheorie debattieren. Mein Wissen um die
verborgenen Geheimnisse, die Wundertaten meines Gottes und den
richtigen Weg, zu ihm zu finden, war gefragt. Mütter brachten ihre
neugborenen Kinder zu mir, auf daß ich sie segnete. Die Männer
baten mich um Auskünfte über die kommende Erntesaison. Ich durfte
ihnen aus dem Flug der Vögel oder dem Gekröse der Opfertiere das
Wetter und den Tod des reichen Erbonkels vorhersagen. Junge Paare
berieten sich vor ihrer Hochzeit mit mir, die Politiker befragten
mich vor schweren Entscheidungen und wenn die Armee in den Krieg zog,
durfte ich sie als Instrumente der Gerechtigkeit weihen, ihnen einen
festen Platz im Himmel reservieren und die Feinde verfluchen. Ach
herrjeh, was waren das für schöne, aufwühlende Predigten, die ich
den Soldaten hielt! Feurig waren meine Reden und sehr überzeugend.
Meistens haben wir dann ja auch gewonnen. Das waren noch Zeiten!
Heute kommen die Leute nur noch zu mir, wenn sie was gegen
Hämorrhoiden brauchen oder eine extra große Vorratspackung Viagra.
Ich sage dir, Hank, es geht bergab. Meinst du nicht auch?!“
„Yup!“, sagte ich dann, „Die
ganze Choose geht langsam aber sicher in’n Arsch, da bin ich ganz
deiner Meinung. Hast Du vielleicht noch ein Gläschen von diesem
süffigen alten Gebräu für mich übrig?“
Und in der Regel schenkte Jonny mir
dann ein, und ich hörte ihm weiter beim Jammern zu. Wenn Jonny
richtig in Fahrt kam, dann zitterten die fünf Haare auf seiner
Nasenwarze, als stünden sie unter Strom, während ich den Meßwein
in kleinen Schlucken schlürfte.
An ihren freien Tagen machte Sally
gemeinsam mit mir Spaziergänge in der Nähe Kerzenburgs. Wenn das
Wetter gut war, steckten wir uns ein paar Sixpacks ins Inventar (ich
hatte meinen Rucksack tatsächlich vorn im Eingang zu Winthrops
Schenke gefunden) und zogen an den Strand zum Picknick. Das waren
grandiose, seidengewandete Momente! Wir lagen auf unseren
Handtüchern, die wiederum auf dem weichen, weißen Sand der
Schwertküste lagen. Die Wellen plätscherten sich eins. Hier und
dort guckte mal ein neugieriger Fisch aus dem Wasser und winkte uns
zu. Möwen, Strandläufer, Papageien und sonstige Meeresvögel
schaukelten in der Brise wie besonders vornehme Mobilés. Die Sonne
brannte uns auf den Pelz und entzündete tausend kleine Feuer in
Sallys Haaren. Wir pimperten ab und zu im Rhythmus der Brandung,
knackten die eine oder andere Dose, und dann standen wir auf und
spielten Haschmich mit Naßspritzen. Ich wackelte mit meinem haarigen
Arsch, fiel absichtlich ins Wasser dort, wo’s flach war, gröhlte
schmutzige Lieder und tat auch sonst noch so manches, um Sally zum
Lachen zu bringen. Denn wenn Sally lachte, noch dazu bei gutem
Wetter, dann war das, als hätte man eben gerade nen Liter Ambrosia
runtergezischt und würde nun dem Gesang eines Engels lauschen. Eines
Engels mit endlos langen Beinen, prallen Brüsten und bezaubernden
Sommersprossen auf der Nase. Man schmeckte in solchen Momenten die
schimmernde Ewigkeit auf der Zunge, und diese Ewigkeit hätte nach
meinem Geschmack gar nicht lang genug sein können. Wenn wir
ausreichend getobt hatten, warfen wir uns erschöpft und noch vom
Meereswasser beglänzt wieder auf unsere Handtücher und unterhielten
uns. Oft redeten wir dann auch Stuß.
„Hey, Sally, weißt Du eigentlich,
daß ich total verknallt in dich bin? Das habe ich bisher noch nicht
sehr vielen Frauen erzählt.“
„Naja, mir erzählen die Männer das
mindestens jeden zweiten Tag. Aber ich liebe dich trotzdem, Hank!“
„Siehste Sally, und genau da komme
ich irgendwie nicht mit. Ich bin ein alter Knacker, der zur einen
Hälfte aus Aknenarben und zur anderen aus Bierbauch besteht. Ich hab
Haare am Achtersteven und bin jeden Morgen verkatert. Wie kann man so
ein Jammerbild denn lieben?“
„Naja, du bist vielleicht nicht der
Schönste, aber das stört mich nicht weiter. Ich liebe deine Art,
über die Menschen zu schimpfen. Ich mag deinen Gang, deine
Offenheit, deine blödsinnigen Witze, die Art, wie du dir Zigaretten
anzündest und daß du den Rauch durch die Ohren rauspusten kannst.
Du bist ein großartiger Künstler. Deine Gedichte sind ehrlich und
haben Drive. Deine Short-Stories zeigen die Welt, wie sie ist und
reden nicht um den heißen Brei herum. Außerdem kenne ich niemanden,
der es einem so gut wie du mit der Zunge besorgt!“
Solche Komplimente bauten mich mächtig auf, und ich bemühte mich, ihnen auch zu
entsprechen. Was meine Zungentechnik anging, so glaubte ich Sally.
Das war eine der wenigen Sachen, die ich wirklich beherrschte. Mit
den Gedichten und Short-Stories sah die Sache ein wenig anders aus.
Ich hatte Sally meine alten Arbeiten zu lesen gegeben, die
seltsamerweise ebenfalls in meinem Inventarrucksack gelegen hatten.
Aber seit ich hier war, hatte ich nichts Vernünftiges mehr zustande
gebracht. Ich redete mir ein, das läge daran, daß ich jetzt mit
Feder und Tinte statt mit der Schreibmaschine schreiben mußte, aber
bei Licht betrachtet wußte ich: dies war eine billige Ausrede.
In Wirklichkeit fiel mir nichts mehr
ein. Ich hatte keine Ideen. Alle guten Pointen, die mir in den Sinn
kamen, verbriet ich, wenn ich mit Sally zusammen war, in Gesprächen.
Aller Witz, alle Geistesgegenwart bot ich in diesen Gesprächen auf,
da blieb kaum mehr was zum Schreiben übrig. Die Frau saugte mich
geistig aus, und ich wußte nicht, ob mir dieser Blowjob gefallen
sollte. Andererseits war das im Augenblick auch unwesentlich. Ich
litt nicht besonders unter meiner Schreibschwäche, hätte vielleicht
ganz auf’s Schreiben verzichten können, wenn nicht Sally gerade
mein Schreiben so an mir gelobt hätte.
Um ihr zu gefallen, setzte ich mich
also manchmal an den Tisch in ihrem fünfeckigen Zimmer, scheuchte
Lawrence vom Papierstapel und schrieb ein paar Sätze hin. Sally
verbot ich, diese neuen Sachen zu lesen. Ich erzählte ihr, es
handele sich um einen neuen Roman und den bekomme sie erst zu lesen,
wenn er fertig sei. Denn bei unfertigen Sachen könne ich Kritik
einfach nicht ertragen, also müsse sie sich schon noch ein wenig
gedulden.
In Wirklichkeit handelte es sich aber
nicht um einen Roman, sondern um haufenweise Anfänge für
irgendwelche Short Stories. Die aber waren immer so schlecht und
uninspiriert, daß ich nach wenigen Sätzen keine Lust mehr hatte,
ihren Plots weiter zu folgen und unnütz meine Kräfte zu vergeuden.
Wenn Sally nach Hause kam, packte ich dann die bekritzelten Seiten
zusammen, stopfte sie in meinen Rucksack und wendete mich solchen
Dingen wie Sallys warmen Händen und Ohren und Haarspitzen zu...
Alles in allem war es jedenfalls eine
wunderbare Zeit. Ich kriegte alles, was ich mir nur je vom Leben
erwünscht hatte. Ich streckte meine Beine aus, ließ die Seele
baumeln und schwang im Einklang mit den Vibes des Universums.
Oben indes saß Gott, schaute sich das
ein Weilchen an, wurde immer skeptischer, verschränkte die Arme über
der Brust, machte ein muffeliges Gesicht, trippelte mit den
Fingern... Und irgendwann hatte er die Faxen dicke. Vielleicht flogen
die Vögel etwas tiefer als sonst, vielleicht hätte Jonny mich
warnen können. Aber ich fragte ihn nicht.
Sonntagabend kam Sally später als
sonst von der Arbeit. Als sie wie üblich durch’s Fenster
kletterte, hatte sie keinen Gin dabei, dafür aber rot verheulte
Augen.
„He, Sally-Babe, mach dir nichts
draus!“, wollte ich sie beruhigen, „Wir haben noch ne halbe
Flasche von gestern, das reicht doch für den Abend, oder?“
„Du mieser, gefühlloser Klotz, du
dreckiger, alter Mann, du fauler, stinkender Bastard!“, heulte
Sally los, griff sich Lawrence von Arabien und schloß sich mit ihm
auf’m Klo ein. Was war denn hier los? Ich klopfte an die Klotür:
„Ey, Sally, what’s up? Biste auf’m miesen Trip, hat dir jemand
was Verkehrtes ins Crack gemischt, oder was ist? Mach mal die Tür
auf, das strengt einen an, durch fünf Zentimeter dicke Eichenbohlen
zu brüllen!“
Die Tür sprang auf und Sally flitzte
an mir vorbei, warf Lawrence in eine der fünf Ecken, schmiß sich
auf die Matratze und vergrub ihren hübschen Kopf unter einem Kissen.
„Aber Baby, Baby, woher diese
Trauer?“ Ich tätschelte die Stelle des Kissens, wo ich ihren
Hinterkopf vermutete. „Was ist denn so Schlimmes passiert,
willste’s mir nicht sagen? Komm schon, dem alten Onkel Hank kannst
du doch - ...“
Schlangenhaft schnell kam sie unter dem
Kissen hervor und blitzte mich an.
„Der alte Onkel Hank kann mir mal im
Mondschein begegnen! Was Schlimmes passiert ist, willst du wissen?
Ich lebe seit Wochen mit einem antriebslosen, stinkenden Penner
zusammen! Mit einem Typen ohne jeden Ehrgeiz, der nicht mal seine
Drinks selbst finanzieren kann! Ich verschwende mein Leben an einen
Versager! Alle anderen Frauen in Kerzenburg lachen über mich! Du
kriegst überhaupt nichts auf die Reihe, Hank! Du wohnst bei mir, du
trinkst meinen Gin, du schaffst deinen Arsch immer erst nachmittags
aus den Federn und hängst dann sofort angeschlagen in den Seilen! Wo
ist dein Mumm, Hank, wo ist dein Pep, wo sind deine verschissenen
Visionen? Du schaffst es ja nicht mal, dir jeden Tag die Zähne zu
putzen. Und ich muß für dich meinen Arsch herhalten!“
„Och komm, Sally, ich mag deinen
Arsch ja ganz gern, aber gezwungen habe ich dich noch nie zu
etwas...“
„Verdammt, Hank, kapierst du denn gar
nichts?! Nicht dir halte ich meinen Arsch hin, sondern solchen
Stinkstiefeln wie dem tatterigen Ulraunt!“
„Wiebitte? Ich verstehe immer nur
Ulraunt... Du – du meinst… DU LÄSST
DICH VON DIESEM GREISEN KUTTENPFRIEMEL PIMPERN?!!!“
„Ich ließ, Hank, ich ließ! Was
denkst du denn, woher das Geld für die Miete hier kam, oder wer den
Gin bezahlt hat, hä? Du glaubst doch nicht ernsthaft, daß man als
freischaffende Meisterdiebin in einem kleinen Nest wie Kerzenburg
existieren könnte, oder? Sag mal, wie naiv bist du eigentlich?
Natürlich hab ich mich von Ulraunt ficken lassen, und noch von einer
ganzen Reihe anderer werter Herren hier in der Umgebung. Und das
alles nur, um mit dir zusammenleben zu können. Mit dir, einem
arbeitsscheuen Verlierer, einem Schmarotzer am Arsch der menschlichen
Gesellschaft! Aargh! Wie konnte ich nur so naiv sein! Aber das ist
jetzt aus und vorbei, jawohl! Ich lasse mich nicht länger ausbeuten!
Wenn du Gin willst, dann besorg dir selber welchen! Und wenn du
irgendwo pennen willst, dann miete dir meinetwegen ein Zimmer bei
Winthrop!“
„Oh, Sally, Baby, das kannst du nicht
ernst meinen? Ich hab keinen roten Heller, wie soll ich mir da was zu
Trinken besorgen? Ich bin Künstler, Baby! Künstler können nicht
arbeiten wie andere Leute, ich brauche die Inspiration und Muße, um
etwas Großartiges hervorzubringen...“
„Was Großartiges hervorbringen? DASS
ICH NICH LACHE!!! Meinst du, ich sei nicht nur naiv, sondern auch
noch blöd? Meinst du, ich wüßte nicht, daß du seit Monaten nix
mehr auf die Reihe gekriegt hast? Meinst du, ich glaube dir den
Scheiß mit dem langen Roman, den du angeblich am schreiben bist? Das
soll ein Romanmanuskript sein, das da in deinem Rucksack vor sich hin
knittert? Damit kann man sich nicht mal vernünftig den Hintern
abwischen! HANK, WILLST DU MICH VERARSCHEN? Du bist nicht nur ein
Versager, du bist obendrein noch ein verlogener Versager! Ich hasse
dich! Ich will dich nie wieder sehen! Ich zieh zu meiner Mut-... Ich
will, daß du hier ausziehst! SOFORT!!!“
„Sally, du hast in meinen privaten
Sachen rumgeschnüffelt? Das ist aber ein eindeutiger
Vertrauensbruch. Ich finde, du solltest dich ent- ...“
„Das hier ist meine Bude! Was hier
drin rumliegt, ist meine private Sache, und in der schnüffele ich,
so viel ich will, kapiert?! Du hast mein Leben ruiniert und willst
mir was von Vertrauensbruch erzählen? Steck Dir dein Vertrauen ins
haarige Hinterteil! Du hast mich schamlos ausgenutzt. Ich muß mich
so für dich genieren vor den anderen Frauen! Immer, wenn ich bei
Winthrop einkaufen gehe, tuscheln sie...“
„Naja, aber doch nur, weil du immer
soviele Flaschen auf einmal...“
„Erzähl mir nicht, warum die
tuscheln! Du bist nie dabei! Du liegst hier auf der Matratze, furzt
sie voll und machst dir einen schönen Tag! Und wenn ich dann ganz
kaputt und erschlagen heimkomme, dann besorgst du’s mir nicht mal
richtig!“
„WIEBITTE!? Ich besorge es dir nicht
richtig? Gestern noch hast du meine grandiose Zungentechnik in
höchsten Tönen gelobt!“
„Gestern war gestern. Heute ist
heute. Mir reicht das mit dir eben nicht mehr. Du bist ein Versager,
und von einem Versager kann ich mich nicht befriedigen lassen. Du
bringst es einfach nicht mehr. Dir sind deine Träume abhanden
gekommen, du hast keine Pläne für die Zukunft. Ich will aber eine
Partnerschaft mit Zukunft, ich will einen Mann, auf den ich mich
verlassen kann, der nicht davon abhängig ist, daß ich meinen
Hintern für ein paar Flaschen Gin meistbietend versteigere! Ich
hatte mir mit dir eine schöne Zukunft erhofft, ich wollte Kinder,
ein Häuschen im Grünen, einen roten Zweitwagen...“
„Aber Sally-Babe, das wollte ich doch
ebenso!“, log ich.
„Dann tu verdammt nochmal etwas
dafür! Komm mir nicht immer nur mit Versprechungen und albernen
Witzen! Dieses Leben hier ist erstmal vorbei, klaro? Ulraunt hat
verlangt, mich von dir zu trennen, ansonsten bin ich ihn als
Stammfreier los. Ich hasse diesen klebrigen Schleimbeutel, ich habe
ihm ins Gesicht gesagt, daß er mich mal kreuzweise kann, und dazu
stehe ich auch. Aber jetzt ist Ebbe im Portemonnaie, und ich habe
jetzt keine Lust, zur Kasernenmatratze der Kerzenburg-Wächter zu
avancieren. Wenn ich diesen Holzkopf Hull nur sehe und mir vorstelle,
mit dem... Nee, nicht mit mir! Also wird nun gespart, und die erste
Einsparung besteht darin, daß Du hier rausfliegst! Suche dir einen
Job, bringe es zu was Anständigem im Leben, dann kannste meinetwegen
wiederkommen...“
Ich redete mit Engelszungen auf sie
ein. Dachte mir alle möglichen falschen Versprechungen aus, um sie
umzustimmen. Es half nichts. Schließlich, als sie anfing, mich mit
leeren Flaschen zu bewerfen und nach meinen Schienbeinen zu treten,
kletterte ich unbeholfen an der Strickleiter raus. Sie warf mir das
nahezu leere Inventar hinterher, dann hörte ich ihr Fenster knallen
und stand mal wieder in der Dunkelheit, ohne zu wissen, wohin.
***
Wer nicht weiß wohin, geht erstmal in
eine Bar.
„Hi Winthrop! Schenk mir mal nen
Doppelten ein, den brauch ich jetzt.“
„Leck mich, Hank! Ich brech dir
lieber ein paar Finger, dann kannste dich rektal besser kratzen.“
„Hör mal, mir ist jetzt nicht nach
Witzen zumute! Mach mir ein Glas voll und halt deine Koberschnauze!“
„Am besten brech ich dir gleich den
Arm, dann kommste ohne Probleme hoch bis zum Dünndarm!“
„Okay, gehn wir nach hinten?“
„Gehn wir.“
Normalerweise prügelten wir uns immer
erst am Ende einer langen Saufnacht, Winthrop und ich. Zuerst trank
ich so zehn, zwölf Whisky on the rocks, pöbelte ein paar von
Winthrops Gästen an und am Schluß gingen wir dann hinten auf den
Hof und trugen es aus wie richtige Männer. Es waren manchmal sehr
gute Kämpfe. Winthrop war zwar ein echter Schmierkäse, aber er
hatte Mut und als Rechtsausleger einen verdammt deftigen linken
Uppercut. Ich war trotz meiner Bierplautze immer noch ein Stückchen
wendiger und schneller als er und solange es nicht zum Infight kam,
konnte ich mich sehr gut gegen ihn halten. Wir hatten schon manche
schöne Vorstellung abgeliefert. Mal siegte Winthrop knapp, mal
brachte ich es fertig, erst nach ihm zu Boden zu taumeln.
Am heutigen Abend lief es nicht so gut
für mich. Wir waren beide noch stocknüchtern, doch während dies
für Winthrop ein Vorteil war, nahm mir der klare Verstand den
Schneid. Ich konnte klarer erkennen, worauf ich mich da gerade
eingelassen hatte. Winthrop wog bestimmt vierzig Kilo mehr als ich,
seine Unterarme hatten vom vielen Bierzapfen eine Art Keulenform
bekommen. Wir standen noch gar nicht richtig draußen, keiner hatte
ein Zeichen für den Kampfbeginn gegeben, da rammte er mir schon eine
dieser Keulen mit Schmackes auf die Leber. Ich wollte zur Seite
umkippen, da zirkelte er mir die zweite Keule von links auf die
Nieren. Ich hielt mir nach Luft schnappend die Seiten und suchte
einen Platz, wohin ich mich zum Sterben niederlegen konnte. Doch
sogleich packte Winthrop mich mit beiden Händen an den Ohren, riß
meinen Kopf herunter und ließ ihm sein rechtes Knie
entgegenschnellen. Als meine Nase und seine Kniescheibe sich trafen,
konnte ich der Entstehung einer neuen Galaxie aus der ersten Reihe
beiwohnen. Mein Blut düngte den Hinterhofboden.
„Oh Mann, Chinasky, du bringst es
echt nicht mehr!“, meinte Winthrop, wickelte seine Hemdsärmel
wieder runter, drehte sich um und wollte wieder reingehen, um seinen
Job als Barmann auszufüllen. Doch ich war noch nicht fertig mit ihm.
„Winthrop, ich vögel nachher deine
Frau und deine Töchter, bis ihnen der Glibber aus den Ohren
quillt!“, informierte ich ihn im Aufstehen.
Er drehte sich um: „Ach, tatsächlich?
Du brauchst einen Nachschlag?“
Ohne meine Antwort abzuwarten, knallte
er mir mit seinem eisenbeschlagenen Stiefel vor’s Knie. Irgendetwas
knirschte. Vielleicht meine Zähne, als ich vor Schmerz schielend nach der angemessensten Art Schrei suchte. Winthrop
trat auf mich zu, zielte mit der Rechten genau zwischen meine Augen.
Doch ich war schnell genug, diesen Angriff zu blocken, indem ich
beide Arme vor’s Gesicht riß. Das gab ihm die Gelegenheit, mit
seiner Schlaghand eine Punktlandung auf meinem solar plexus
hinzulegen. Gern hätte ich Gedärme gekotzt.
Ich kroch auf allen Vieren und
untersuchte interessiert, in welche Richtung sich der Boden unter mir
drehte.
Winthrop beugte sich zu mir runter:
„Na, Chinasky, reicht’s dir jetzt? Weißt du, ich habe keine
Lust, dir den Arsch noch weiter aufzureissen, das stinkt immer so
ekelhaft...“
„Winthrop!“ stöhnte ich,“Deine
Frau wird quieken vor Freude, wenn ich ihn ihr in den Hintern
stecke...Wir werden es in dem großen, hellblauen Schlafzimmer deines
Reihenhauses machen, die Wände werden erzittern und die Nachbarn
sich wundern...“
„Manche kapieren’s nie!“, meinte
Winthrop resigniert. Er packte mich an den Haaren, schleifte mich bis
zur Wand, knallte meine Stirn ein paarmal dagegen und stopfte mich
dann kopfüber in einen der herumstehenden Abfallkübel. Es stank
bestialisch. Ich wollte schlafen. Doch Winthrop zog mich wieder raus
aus dem Müll, trat mir ein bißchen in die Rippen und beugte sich
dann zu mir herunter:
„Ach übrigens – deine Pöbeleien
waren auch schon mal origineller und geschmackvoller.“
Ich hatte Blut im Mund und es fiel mir
daher schwer, mich genau zu artikulieren:
„Und wenn ich mit deiner Frau fertig
bin, dann gehe ich rüber zu deinen...“
Er nahm meinen Kopf und rubbelte mit
ihm, die Nase nach unten, ein wenig über den steingepflasterten
Boden.
„Wenn du meine Frau oder meine Kinder
noch einmal erwähnst, werde ich dir sämtliche Zähne rausbrechen
und dafür sorgen, daß du sie einzeln runterschluckst, bevor ich
dich an die Hunde verfüttere. Und das ist diesmal kein Witz, okay?
Also – halt’s Maul, blute hier noch ein wenig vor dich hin, und
wenn ich morgen früh den Müll rausbringe, dann möchte ich von
deiner miesen Visage hier nix mehr sehen. Sonst vergesse ich, daß in
Kerzenburg eigentlich das Totschlagen untersagt ist. Haben wir uns
verstanden, Mister Chinasky?!“
„Reihenhausfuzzy!“
„Okay, ich glaube, er hat’s
geschnallt.“, sagte Winthrop zu den paar Zuschauern, die sich
unseren Kampf angeschaut hatten und wohl anfingen, sich zu
langweilen. Ich hörte, wie sie reingingen und dabei lachten. Dann
deckte ich mich mit dem Fußboden zu und ließ meine Seele ein
bißchen durch’s Universum kreisen.
Es mußte schon weit nach Mitternacht
sein, als ich geweckt wurde. Natürlich durch einen Fußtritt. Der
Fuß kam mir bekannt vor, doch erst, als ich hochschaute, erinnerte
ich mich an seinen Besitzer. Der Mond warf sein bleiches Licht auf
noch bleichere Haare, unter denen eine Niggervisage, schwärzer als
die Nacht um uns herum, mich aus violett leuchtenden Augen anstarrte.
„Oh, hi, Bayan
soundso! Wie geht’s uns denn so, alter Schwede? Lange her,
daß ich das Vergnügen hatte -...“
„Stinkendes Bleichgesicht Chinasky!“,
meinte er und zeigte damit, daß er auch mich wiedererkannte, „Ich
bekomme noch ein Goldstück von dir. Sicherlich hast du das nicht
vergessen, und zahlst deine Schulden jetzt gleich und zwar bar...“
Er ließ auf eine widerlich
irritierende Weise einen Dolch propellerschnell in seiner Hand
kreisen. Mir wurde schon vom Zusehen schwindelig und mein Mageninhalt
klopfte an, ob er mal kurz vor die Tür treten dürfe?!...
„Hör mal, Bayan, Bruder im Geiste,
ich würde dir gern sofort sämtliche Schulden dieser Welt mit Zins
und Zinseszins zurückzahlen. Aber da ist leider ein kleines Problem
mit meiner Kreditkarte aufgetreten. Der Bankautomat hat sie heute
geschluckt. Sicherlich nur eine Verwechslung, weil ich die
Geheimnummer falsch eingegeben hatte! Aber nun stehe, äh, nein,
liege ich ohne Bargeld da...“
Der Drow beugte sich zu mir herunter
und seine violetten Augen verengten sich zu Schlitzen.
„Paß auf, Bleichgesicht! Es macht
mir keinen Spaß, einen Mann, der nicht mal mehr richtig zum Liegen
imstande ist, aufzuschlitzen. Wir aus dem vergessenen achten Hause
da‘i Baiornne pflegen unsere Feinde auf ehrliche Weise zu foltern,
die sollen auch was davon haben... Du stinkst dermaßen, daß ich
mein Messer beschmutzen würde, käme es deinem faltigen weißen
Arsch auch nur zu nahe. Damit will ich sagen: Ich gebe dir noch eine
Chance. Du wirst jetzt aufstehen, dich waschen, und dann in einer
Stunde vor der Bibliothek stehen. Dort wird ein alter Mann auf dich
warten, der dir was bezüglich einer Reise zu sagen hat, die wir
gemeinsam antreten werden. Ist das soweit in dein matschiges Hirn
vorgedrungen?!“
„Ich glaube schon...“
„Gut. In einer Stunde, denk dran! Ich
warte nicht gern...“
Es gelang mir, ohne von den anderen
Gästen oder Winthrop selbst bemerkt zu werden, mich in die
Toilettenräume der Kneipe zu stehlen. Der Typ im Spiegel schien mir
irgendwie bekannt, zumindest einer weitläufig verwandten Spezies
anzugehören. Ich zwinkerte ihm mit dem weniger verschwollenen Auge
zu und hielt dann meinen Kopf unter den Wasserhahn. Jemand stupste
mich von hinten an. Ich drehte mich um.
„Oh, hi, Babydoll
Moni! Wie läuft’s denn so!”
„Bist du das, Chinasky?“
„Wie hast du mich erkannt?“
„Gar nicht. Deswegen frage ich ja.
Sag mal, hast du gerade die Inspektion eines Lindwurm-Magens hinter
dir? Du siehst so verdaut aus...“
„Is’ne etwas längere Story, Moni.
Mein letzter Fight mit Winthrop ist nicht ganz nach Plan
verlaufen...“
„Dachte ich mir schon. Na,
egal. Soll ich dich heilen?!”
„Hast du denn Ahnung von
medizinischen Fragen? Ich dachte, du wärst auf Blowjobs
spezialisiert...“
„Och, ich bin doch Klerikerin! Da ist
das gar kein Problem. Halt mal kurz still!“
Sie stellte sich vor mich hin, murmelte
ein paar seltsame Laute, zog aus den Falten ihres unförmigen Umhangs
einen kleinen Beutel hervor, aus dem sie mit zwei Fingern etwas
Pulver entnahm, warf dies über mir in die Luft und pustete mir
dreimal ins Gesicht. Ihr Mund hatte wohl schon länger keinen
Zahnbürstenbesuch mehr erlebt. Doch obwohl sie höllisch aus dem
Hals stank, fühlte ich mich plötzlich besser. Viel besser! Ich sah
verwundert in den Spiegel. Anstelle des blutüberströmten Aliens
schaute mich aus ihm nun mein eigenes Gesicht an! Ohne zerbeulte
Nase, die Augen nicht zugeschwollen, die Zähne beinahe vollständig
versammelt. Es war ein Wunder!
„Babydoll, du bist ein Schatz! Das –
das ist unglaublich! Wie hast du das gemacht? Ich fühle mich wie ein
junger Gott! Ich könnte alle Jungfrauen des Reiches schwängern! Wie
kann ich dir nur danken?!“
„Och“, meinte sie, „Ist doch halb
so wild. Schließlich sind wir jetzt ja in einer Party, oder? Das war
doch der Grund, weswegen du hergekommen bist, nicht wahr, daß wir
jetzt endlich mit unserer Party losziehen!“
Ach ja, da war sowas gewesen. Dunkel
erinnerte ich mich eines Verprechens, das ich Moni damals am Tag
meiner Ankunft in Kerzenburg gegeben hatte. Sie war so eine Art
zweihundertjähriges, bärtiges Partygirl.
„Ja, also, Moni... Das mit der Party,
das ist so’ne Sache. Weißt du, dummerweise habe ich eben gerade
diesen blonden Nigger getroffen, du weißt schon, Bayan sowieso. Dem
schulde ich immer noch ein Goldstück und er hat vor, mir das
notfalls aus den Eingeweiden rauszuschneiden, wenn ich ihn nicht in
einer knappen halben Stunde draußen vor der Bibliothek abhole.
Irgend ein alter Mann hat mir irgendwas zu sagen, meinte er und –
naja, weißt du, Moni, der Typ hat so eine unangenehme Art, mit
seinem Taschenmesser herumzuspielen...“
„Na, das ist doch Klasse!“, jubelte
Babydoll, „Der alte Mann vor der Bibliothek – das ist doch
Gorion. Dann geht’s also tatsächlich endlich los, ja?“
„Gorion? Wer soll das denn sein?“
„Na Gorion, dein Ziehvater eben! Sag
mal, du bist jetzt schon ein paar Monate hier in Kerzenburg und
kennst dich immer noch nicht aus?“
„Scheint wohl so.“
„Na, egal. Wenn Gorion auf uns
wartet, dann sollten wir uns beeilen. Komm schon!“
„Hä? - ? - ?“
Gorion war ein alter Knacker, der
Probleme hatte, weil ihm beim Sprechen andauernd seine dritten Zähne
verrutschten. Er nannte mich immer nur sein „liebes Kind“,
obgleich ich mir aus verschiedenen Gründen sicher war, daß es sich
bei ihm nicht um meinen Vater handeln konnte.
„Ah, schön, dich zu sehen, mein
liebes Kind! Ich sehe, du hast einige Gefährten um dich versammelt.
Das ist gut so, denn der Feind lauert schon und jeder Beistand wird
dir von Nutzen sein. Die Zeit drängt, Kerzenburg ist nicht länger
sicher... So laßt uns denn aufbrechen, am besten sofort jetzt, in
der Nacht, damit niemand unsere Flucht bemerkt...“
„Äh – Gefährten? Flucht? Ich
verstehe immer nur Bahnhof...“
Bayan trat nah an mich ran und zischte
mir mit zusammengebissenen Zähnen zu: „Halt’s Maul und komm mit,
verstanden?“ Ich sah etwas Blankes in seiner Hand wirbeln und
entschloss mich zu verstehen.
Hull, der Holzkopf, den Sally so wenig
ausstehen konnte, öffnete uns das Burgtor, und weil mir nichts
anderes übrig blieb, trottete ich ergeben den drei Witzfiguren
Gorion, Bayan soundso und Babydoll Moni hinterher. Was sollte das
wohl werden, wenn’s mal fertig war?
***
Es war kalt, es regnete etwas, und man
sah die Hand vor Augen nicht. Immer wieder trieb Gorion uns an:
„Rasch, rasch, wir müssen uns sputen! Wir wollen versuchen, den
Freundlichen Arm so schnell wie möglich zu erreichen.“ Doch er
zuckelte so langsam dahin, daß selbst die Pilze des Waldes uns zügig
überholen konnten. Ich fand diese ganze Unternehmung reichlich
dämlich. Was hatte ich hier mitten im Wald zu suchen, bei so einem
gichtfördernden Wetter, im Dunkeln, zusammen mit einem blonden
Niggerpsychopathen, einer bärtigen Schwanzlutscherin und einem
ausgeflippten Parkinsonfall? Ich fror an den Füßen, ich spürte
die ersten Anzeichen von Alkoholentzug und wünschte mich zurück in
die fünfeckige Bude, um mich an Sallys wundervoll duftendem Arsch zu
wärmen. Was sollte dieser schwachsinnige Schulausflug?
Während ich so vor mich hinfluchte,
war ich wohl etwas zurückgefallen. Jedenfalls hörte ich vorne
plötzlich jemanden sprechen, dessen Stimme ich bislang noch nicht
gehört hatte. Da schien noch eine andere Horde von Idioten durch die
Gegend gestiefelt zu sein, und wir waren zufällig auf sie getroffen.
Ich hatte keine Lust, mich hier im Wald mit irgendwelchen fremden
Leuten zu unterhalten. Also setzte ich mich auf einen mit Moos
bewachsenen Baumstumpf unter ein paar schützende Tannenzweige, lugte
hinaus in den Nieselregen und kümmerte mich nicht weiter um das, was
unser selbsternannter Führer Gorion, dieser zahnlose Cicero, mit den
Fremden zu bereden hatte. Vor allem, da es sich so anhörte, als
bekämen sie miteinander Streit.
„Alter Mann, gib mir dein Bündel!“
„Hol’s dir doch, wenn du dich
traust!“
„Ey Chef, welches Bündel? Ich denke,
es geht hier um ein Mündel...“
„Hat dich jemand gefragt, du Depp?!
Wenn du nochmal dazwischenquasselst, gibt’s was mit dem
Zweihänder...“
„Okay, okay, ich bin still wie eine
Maus!“
„Wollt ich dir auch geraten haben!
Also, nun zu dir, Opa, wie sieht’s aus, rückst du bald rüber mit
dem Kleinen, oder muß ich ungemütlich werden?“
„Laß den Kleinen in Ruhe, der hat
dir nix getan. Wenn ihr, du und deine triefäugigen Spießkumpane,
nicht bald Land gewinnt, dann wird Meister Gorion mächtig sauer,
kapiert?“
„Ich mach mir vor Angst in die
Hosen!“
„Dann paß auf, daß es unten nicht
rausläuft! Die sind nämlich schon randvoll.“
„Schade, alter Mann, daß du mich
zwingst, gegen meine pazifistische Grundeinstellung zu verstoßen!“
„Stoße dir eins, wie du willst, aber
verkrümel dich endlich, wir wollen weiter.“
„Ey, Chef, darf ich jetzt endlich
zuhauen?“
„Du redest nur, wenn du gefragt bist,
ich möchte das nicht nochmal wiederholen müssen!“
„Okay, okay, ich bin still wie eine
Maus...“
„Also – was ist jetzt?“
„Was ist jetzt wie?!“
„Ja oder nein?!“
„Das könnte dir so passen!“
„Entschuldigung!“, mischte sich
eine Stimme ein, die zu Babydoll Moni zu gehören schien, „Könnten
wir diese Unterhaltung nicht später fortsetzen? Wenn wir weiter hier
im Regen rumstehen, frier ich mir noch meine Möpse ab.“
„Genug mit den Präliminarien! Gib
dein Mündel raus, oder es setzt was!“
„Chef, was sind Prälimidingsda?“
„Halt’s Maul!“
„Okay, okay, ich bin still wie
eine...“
„Kommt gar nicht in die Tüte, mein
Mündel bleibt bei mir und ich mach mich jetzt vom Acker. Schönen
Tag noch!“
„Halt, so kommst du mir nicht davon.
Rück das Mündel raus, oder ich polier dir die Beißleiste!“
„Na, dann komm her und versuch es!“
„Wenn du mich zwingst, mach ich das
wirklich!“
„Kein Problem, ich warte!“
„Reize mich nicht bis zur Weißglut!“
„Reiz, reiz, reiz!“
„Arrgh!!!“
„Chef, ich hab nicht richtig
verstanden. Heißt das jetzt soviel wie: Zum Angriff, ihr tapferen
Mannen?!“
„SAG MAL, KÖNNTEST DU NICHT BITTE
FÜR EIN PAAR WENIGE SEKUNDEN MAL DEN RAND HALTEN?!“
„Oka, okay, ich bin still wie...“
„Wenn ich mich vielleicht vorstellen
dürfte, ich bin Bayan da‘i Baiornne aus dem achten vergessenen
Hause von...“
„Was mischt sich dieser schwuchtlige Nigger
denn jetzt noch mit ein?!“
„Ich verbitte mir solch eine
Beleidigung! Ich bin Bayan da‘i Baiornne, ein tapferer Drow, der
jedem, der ihm dumm kommt, ein Zungenpiercing appliziert, daß sich
bis zum Rektum fortsetzt!“
„Na, mein Süßer, da bin ich aber
mal gespannt...“
„Chef? Dauert das noch lange? Ich muß
nämlich mal...“
Irgendwann mußte ich eingeschlafen
sein. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, sah ich unweit von mir
auf einer Lichtung ein paar Büschel im Laub liegen. Mein Kopf
schmerzte, der Entzug hatte mich inzwischen so richtig auf seine
Hörner gespießt. Ich hatte Schüttelfrost, in meinem Mund einen
Geschmack wie von verrotteten Mistkäfern, und von oben ditschten mir
kalte Tropfen auf die Dauerwelle. Als ich mich erhob, quietschten und
krachten alle zur Verfügung stehenden Gelenke protestierend. Ich
schleppte mich rüber zu den Büschen. Babydoll-Moni lag da wie
notgezüchtigt, mit verkokeltem Bart und verrutschtem Helm. Aber sie
schien noch zu atmen. Neben ihr lagen zwei riesige
Basketballspieler-Kadaver. Sie atmeten nicht mehr. „Alle Achtung!“,
dachte ich, „Die hat Moni sich aber tüchtig zur Brust genommen!“
Ein paar Meter entfernt entdeckte ich
einen weiteren Kadaver. Es war der des alten Knackers Gorion. Er
atmete ebenfalls nicht mehr. Das hätte ihm auch kaum geholfen, denn
seine Brust war mit mehreren Schnittwunden versehen, die bis runter
auf die Wirbelsäule gingen. In diesen Lungen hätte sich Luft nicht
lange gehalten. Er tat mir leid. Eigentlich hatte ich ihn ganz
sympathisch gefunden mit seinen klappernden Dritten. Vielleicht wären
wir dereinst Freunde geworden...
Das sah mir insgesamt nach einer
hitzigen Diskussion aus, die hier gestern noch stattgefunden haben
mußte. Irgendwie war ich froh, mich da rausgehalten zu haben. Ich
sah mich desorientiert um und kratzte mich am Steiß. Was sollte ich
nun tun?
„Hank! Hank, mein Liebster!“,
schall es plötzlich zwischen den Bäumen hervor. Ich drehte mich um.
Sally kam angerannt. Sally, meine süße, kleine, knackärschige
Sally, die mit den duftenden roten Haaren und den unglaublichen
Innenkurven!
„Hi Baby, was machst du denn hier
mitten in der Taiga!?“
„Oh Hank, es tut mir so leid, wie ich mich gestern benommen habe, ich war irgendwie verwirrt und
hatte meine Tage und die Schuhe waren zu eng und...“
„Schon gut, Kleines. Reg dich ab.
Schau mir in die Augen! Hör mal, Süße, der olle Hank ist nicht
sauer. Hatte mich ja tatsächlich nicht gerade wie ein Rittersmann
benommen.“
„Oh Hank, ich hatte solche Angst um
dich! Ich habe überall nach dir gesucht! Jonny erzählte mir,
Winthrop hätte dich am Abend in die Mangel genommen und vielleicht
tot geschlagen, und dann sagte jemand was, daß du mit Gorion und
zwei anderen losgezogen seiest und ich wußte nicht, wohin ihr
gegangen seiet und keiner konnte mir helfen und... WER IST DIESE
FRAU?!“
„Hä?!“ Ich drehte mich um. „Ach
so, die meinst du... Schön, daß du aufgewacht bist, Moni. Meine
Damen, darf ich vorstellen: Sally – das ist Babydoll Moni, eine
Klerikerin mit Bart. Moni – das ist Sally, eine Meisterdiebin ohne
Bart und die Frau, die ich liebe. Na, ich glaube, ihr habt euch schon
mal gesehen, oder?!“ Und, zu Moni hin, zwischen den Zähnen
raunend, damit Sally es nicht hörte: „Das mit dem Blowjob damals,
das vergessen wir mal, okay?!“
Doch die beiden hörten mir überhaupt
nicht zu. Sie standen sich gegenüber, jeweils die Hände in die
Hüften gestützt, und spielten Mitblickenzusteinverzaubern. Ich
überließ sie ihrem Damenkränzchen und ging wieder rüber zu
Gorion. Er sah wirklich nicht gut aus. Schade um seine schöne Robe.
Die war aus Samt und Seide und hatte bestimmt ein Vermögen gekostet,
selbst im Sommerschlußverkauf. Ich überlegte, daß es meine gute
Christenpflicht sei, den armen alten Breiesser zu begraben, damit ihn
nicht die Raben und Eichelhäher noch weiter zerpflücken konnten.
Ohne große Hoffnung schaute ich mich nach einem Spaten um.
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