Losglück
Wir erinnern uns: Hank hatte den
Fehler begangen, zwei hübsche Anglistikstudentinnen aus good old
Europe in seine Wohnung zu lassen. Flup! – hatte er ein kleines
Metalldingens im Ohr und landete im Cyberspace. Dort hatte man gerade
auf einen wie ihn gewartet. Mit einer Gruppe netter Leute, die er
allesamt in irgendwelchen Kneipen kennengelernt hatte, machte Hank
sich auf, die Welt zu retten...
Bullshit. Wenn Hank eines nicht
vorhatte, dann dies, die Welt zu retten. Die Welt konnte ihm
gestohlen bleiben. Er hätte gern weiter gemütlich im Freundlichen
Arm gesessen, dem Schwager Jaheiras seinen Weinkeller leergesoffen
und der Zeit beim Verrinnen zugesehen. Man – das heißt Sally –
zwang ihn eines Morgens, sich zu Fuß in Richtung Nashkell zu
begeben. Frühmorgens! Zu Fuß! Er wußte weder, was dieses Nashkell
war, noch wo es zu finden sei. Er glaubte, daß es keine wirklich
kluge Idee sein könne, die Welt zu retten. Und in diesem seinem
Glauben war er nun bestätigt worden. Man war auf einen eher
schwergewichtigen Herrn Oger getroffen. Dabei hatten sich
Mißverständnisse eingeschlichen, ein Wort gab das andere, irgendwie
kam es schließlich zu krisenhaften Konfliktlösungsstrategien und –
nun ja – Gewalt. Ähnlich, wie der große Deumel aus Baldurs Tor
war dabei der große Oger umgefallen. Ratet mal, auf wen...
Den Punkt, bis zu welchem ich mich
schlecht fühlte, hatte ich hinter mir. Nun fühlte ich gar nichts
mehr. Ich lag so rum, schaute mir meine Hand an, die da krallenartig
sich streckte, ohne daß ich sie hätte bewegen können, und dachte
mir: Aha, das ist also der Tod. Vor mir flimmerten drei Schriftzüge
wie aus wurstfarbenen Neonröhren: „Reload – Exit – Continue“.
Was das sollte, war mir schleierhaft. Reload – ja was sollte denn
erneut geladen werden? Einen Ausweg sah ich auch nicht und entschied
mich, weiterzumachen. Continue. Womit machte ich weiter? Vorerst mit
Herumliegen.
Auf mir lastete ein achthundert Kilo
wiegender Fleischberg, der mit einem Ellbogen meine Schläfen
eingedrückt hatte. Eigentlich schien das Spiel aus zu sein.
Seltsamerweise kriegte ich immer noch mit, was das da draußen für
ein Wetter war. Seltsamerweise ärgerte ich mich immer noch, bei so
einem Wetter überhaupt auf die Straße gegangen zu sein. Allerdings
hatte ich ausnahmsweise mal keinen Bierdurst.
Die anderen kamen angerannt. Vorneweg
Sally, ihr auf den Fersen Babydoll Moni, Khalid und Jaheira. Nur
Bayan ließ sich etwas Zeit und spazierte gemütlich hinterher.
„Oh mein Gott, er hat Hank
umgebracht!“, rief Sally. „Dieses miese, dreckige Ogerschwein hat
meinen Geliebten geplättet. Arrgh, das wird er bereuen, dafür mache
ich ihn...“
Jaheira sah die Sache nüchterner: „Der
wird nix mehr bereuen, der ist völlig hinüber. Guckt doch mal, Moni
hat ihm die Zähne bis runter in den Schlund verpflanzt. Und hier:
die Pfeile von Bayan stecken in seinen Augen wie Kerzen in
Götterspeise!“
„Aber wir sollten Hank doch helfen.
Vielleicht kann man ihn ja reanimieren?!“, fragte Moni. „Jaheira,
kannst Du sowas nicht?“
Jaheira blickte skeptisch auf mich
runter und murmelte: „Naja, manchmal hilft Mund-zu-Mund-Beatmumg.
Aber das kam bei mir im Erste-Hilfe-Kurs noch nicht dran.“
„Dann versuche ich es eben!“
Monit beugte sich über mich und
drückte mir ihre bärtigen Lippen in die Visage. Sofort schreckte
sie zurück. „Der Typ stinkt aus dem Maul, das ist ja abartig!
Verweste Fische sind dagegen etwas, das man sich als Parfum hinter
die Ohrläppchen tupfen möchte! Wer den von Mund zu Mund beatmen
will, riskiert sein eigenes Leben!“
„Ich frage mich auch, ob Mund zu
Mund-Beatmung da noch viel bringen würde.“, ergänzte Jaheira „Mir
sieht es so aus, als hätte er einen Schädelbasisbruch. Wie der Rest
seines Körpers beschaffen ist, können wir erst in Erfahrung
bringen, wenn wir den Oger von ihm runtergewälzt haben.“
„Ja, aber irgendetwas müssen wir
doch mit Hank machen!“, jammerte Sally.
„Wir könnten ihn den Raben zum Fraß
daliegen lassen.“, schlug Bayan vor, der inzwischen
herangeschlendert war.
„D-d-d-du bi-bi-bist ein
h-h-h-herzloser B-b-b-bube!“, empörte sich Khalid.
Auch Sally guckte den Drow skeptisch
an. Ja, sie liebte mich eben! Ich genoß ihre Solidarität über den
Tod hinaus.
„Ich wüßte da eine Möglichkeit.“,
meinte Moni, „Hier in der Gegend gibt’s ein kleines Dorf und
etwas östlich dieses Dorfes gibt’s einen Tempel, in welchem ein
Priester arbeitet, der vor Jahren mal in einem Seminar von mir
abgeschrieben hatte. Wurde strafversetzt dorthin. Von ihm könnten
wir Hank wiederbeleben lassen!“
„Sowas ist machbar?!“, fragte Sally
hoffnungsvoll.
„Na klar, Wiederbelebungen hat jeder
niedergelassene Geistliche im Repertoire. Man zapft einfach die
Essenz Gottes an und...“
„Welchen Gottes denn bitteschön?“,
unterbrach Jaheira. „Soweit ich informiert wurde, gibt es überhaupt
keine Götter, sondern nur die allgewaltige Mutter Natur! Deren
Schwingungen man allerdings durch Interferenzmodulationen...“
„Keine Götter?!“, kreischte Moni,
„Du leugnest die wahre Existenz der allerhöchsten Entitäten, du
zweifelst an den ewig wahren Emanationen göttlicher Wesenheit?
Schweig lieber still, wenn du nicht den Zorn der Himmelsherrscher auf
uns herabbeschwören willst.“
„Shar ist keine Himmelherrscherin.“,
mischte Bayan sich ein.
„Shar? SHAR?!“ Moni konnte sich
kaum noch einkriegen. „Shar ist eine stinkende Pervertierung des
Gedanken des Göttlichen. Wir sprechen hier von echten Göttern,
solche, die da oben in den Wolken thronen und weiße Bärte
tragen...“
„Schon manch einer, der Shar
lästerte, hätte kurz hernach mit seinem Bart höchstens noch die
eigenen Eingeweide vom Boden aufwischen können.“
„Ach ja? Da bin ich aber mal
gespannt, wie es soweit kommen konnte!“
„Wenn es dich tatsächlich
interessiert, kann ich’s dir demonstrieren...“
Ich lag da und hörte mir's an.
„Typisch“, dachte ich. „Sobald der Lotse das sinkende Schiff
verläßt, gehen die Ratten sich gegenseitig an die Kehlen.“ Oder
war es der Kapitän? Oder verließen nicht zuerst die Ratten und dann
der Lotse und am Ende der Kapitän das Schiff? Mein Ableben hatte
mich ein wenig verwirrt.
„Hört auf zu streiten!“, rief
Sally. „Mein Geliebter lieg dort unter einem Monster begraben und
ihr müßt hier schon wieder eure weltanschaulichen Debatten führen?!
Wenn nicht mal wir in Zeiten der Krise zusammenhalten könnnen, wie
soll da dann in der großen Politik Frieden einkehren?“
„G-g-ge-n-n-n-nau!“
„Muß die Schwuchtel jetzt auch noch
ihren Kommentar abgeben?“, erkundigte Bayan sich.
„Besonders du bist gemeint, Drow!“,
zischte ihn Sally an. „Wenn du deinen Esprit zur Abwechslung mal
darauf verwenden könntest, konkrete Problemlösungsvorschläge zu
machen, statt immer nur gegen die Schwachen herumzusticheln...“
Khalid wollte eine Einwendung machen,
aber Jahreira legte ihm besänftigend die Hand auf seinen Schwertarm.
„Ich sehe das so“, sagte sie, „daß
Moni im Prinzip Recht hat. Wir können Hank bis zum nächsten Tempel
schleppen und dort wiederbeleben lassen. Zum Glück fehlen ihm ja
keine wesentlichen Körperteile und er ist nur ein wenig .. ähm...
eingedellt. Ein Problem, das ich allerdings sehe...“
„Ja?!“, fragte Sally besorgt.
„Nun – diese
Wiederbelebungsprozeduren kosten ein Heidengeld. Ist ja klar: Moderne
Gerätemedizin und so. Und Hank hat wohl kaum eine gültige
Wiederbelebungsversicherungspolice abgeschlossen, oder? Es dürfte
also teuer werden, ihn wieder auf die Beine zu stellen. Wie sollen
wir das bezahlen?!“
„Im Angesicht des Todes denkst du an
Geld?“ Sally war benommen von soviel Kaltherzigkeit.
Ich hätte gern zustimmend genickt.
Yeah Baby, go for me!
“Wenn man es neutral betrachtet, dann
geht es Hank tot besser als lebend.”, überlegte Jaheira laut. „Er
stinkt weiter vor sich hin, aber er muß nicht mehr soviel saufen und
daher hat er auch keinen Kater mehr. Zu was anderem als Trinken war
er doch eh nie zu gebrauchen. Vielleicht tun wir ihm gar keinen
Gefallen, wenn wir ihn wiedererwecken lassen? Wenn wir’s beim
status quo beließen, würde uns das jedenfalls keine müde Mark
kosten.“
„Manchmal haben auch weißhäutige
Elfen ganz stimmige Ideen.“, meinte Bayan.
„Dich hat niemand gefragt!“,
schnauzte Sally ihn an, „Halt doch endlich mal dein verdammtes
Lästermaul! Neutral betrachten, neutral betrachten! Habt ihr sie
noch alle? Das ist Hank, unser geliebter Anführer! Jawohl, grinst
nicht so, vielleicht habt ihr ihn nicht geliebt, aber ich schon. Er
ist unser Anführer, auch wenn er die meiste Zeit hinterhergezuckelt
kam. Ohne ihn wäre unsere Party doch nie in die Gänge gekommen!“
„Da ist was dran.“, stimmte
Babydoll Moni zu.
„Siehste!“, nahm Sally dankbar den
Beistand an. „Also ich bin dafür, daß wir Hank in diesen Tempel
schleppen und dort wiederbeleben lassen. Koste es, was es wolle!“
„Dann laßt uns neutral und
demokratisch abstimmen!“, schlug Jaheira vor.
Alle waren einverstanden.
„Okay“, riß Bayan das Procedere an
sich, „Wer ist dafür, daß wir Hank den weiten Weg bis nach
Beregost schleppen, abwechselnd und obwohl er so fett und schwer und
stinkend ist und obwohl seine Wiederbelebung uns finanziell total
ruinieren wird? Der hebe jetzt bitte die Hand!“
Sallys Hand schoß
empor. Auch Moni hob zögerlich die ihre.
„Gut!“, meinte Bayan. „Dann jetzt
die Gegenprobe! Wer ist dagegen, daß wir uns mit dem Stinkstiefel
abschleppen? Also ich auf jeden Fall!“ Er hob seine Hand.
Jaheiras Hand ging ebenfalls hoch,
wenngleich mit weniger Verve. Oh Jaheira-Babe, daß unter Deinem
enganliegenden Kettenhemd ein so kühles Herz schlagen könne, hätte
ich nie angenommen...
„Also unentschieden.“, stellte Moni
fest.
„Wieso unentschieden?!“ Bayan war
perplex. „Was ist mit Khalid, wieso hat der nicht mit abgestimmt?
Khalid ist Jaheiras Ehemann, daher zählt seine Stimme für die
Nein-Fraktion. Also haben wir drei zu zwei gesiegt!“
„N-n-n-nein!“, protestierte Khalid,
„I-i-i-ich e-e-enth-h-h-ha-halte m-m-m-mich lieber.“
„Wahlenthaltung gibt’s in solchen
schwerwiegenden Fragen nicht.“, meinte Bayan.
„Warum nicht?“, wollte Moni wissen,
„Wer bitteschön entscheidet das? Natürlich kann man sich der
Stimme enthalten, wenn man sein Gewissen erforscht hat und zu keinem
klaren Enschluß finden konnte!“
„Aber wie soll denn das nun
fuktionieren?“, warf Jaheira ein, „Zwei zu zwei. Das ist eine
Pattsituation. Khalid, ich will dich ja gar nicht beeinflussen, aber
bist du dir deiner Enthaltung ganz sicher? Du machst uns damit
sozusagen handlungsunfähig...“
Khalid nickte entschlossen.
„Ja – und nun?!“, wollte Moni
wissen.
„Das Los muß entscheiden!“, meinte
Bayan. „Ich habe hier in meiner Hand zwei Strohalme, einen hellen
Langen und einen dunklen Kurzen. Hier, Jaheira, zieh einen! Wenn du
den Kurzen ziehst, lassen wir Hank hier, wenn einen Langen, dann...“
„Hältst du uns für Trottel?“,
kreischte Sally. „Deine Tricks sind derartig durchschaubar...! Nun
gut, laßt das Los entscheiden. Aber auf eine faire Weise. Hier,
Khalid, nimm diese Münze und wirf sie in die Luft! Wenn nachher die
Zahl oben liegt, lassen wir Hank liegen, wenn der Kopf oben ist,
nehmen wir ihn mit. Alle einverstanden?“ Sie blickte streitlustig
in die Runde. Aber niemand hatte Einwände. Ich hätte mich gern
geäußert, aber mich fragte keiner.
Khalid nahm die Münze und schnippte
sie in die Luft. Plirrend fiel sie zu Boden und kullerte und kullerte
und kullerte.... Und blieb endlich liegen. Auf dem Rand. AUF DEM
RAND!!! Meine Mitstreiter guckten blöd. Auch die Münze konnte sich
nicht entscheiden! Sie stand da, vibrierend, aber aufrecht, wenige
Handbreit vor meiner Nase. Ich konnte dem eingeprägten Kopf
sozusagen in die Augen schauen. Sie stand da und konnte sich nicht
für eine Seite entscheiden. Auch der Münze war mein Schicksal
völlig schnuppe. Es war so frustrierend! Selbst meinem toten Körper
war das zuviel. Entmutig ließ er einen letzten gewaltigen Furz
fahren. Das schreckte eine Fliege auf, die auf meinem Hinterteil
herumgekrabbelt war. Sie surrte aufgeregt im Kreis herum und
entschied sich dann für einen anderen Landeplatz: Die Münze. Ich
konnte es vor mir sehen. Diese Fliege balancierte frivol auf der
Münze herum, welche mein Leben bedeutete. Mit drei Beinen hielt sie
sich an der Kopfseite fest, mit dreien an der Zahlseite. Immer noch
unentschieden... Doch dann – dann fiel es ihr ein, sich zu kratzen.
Sie nahm ein Hinterbein hoch, um sich damit unterm Flügel zu jucken.
Es war das Bein auf meiner Seite. Die Zahlseite kriegte ein minimales
Übergewicht. Die Münze kam ins Wanken. Die Fliege war irritiert.
Sie wollte sich abstoßen. Doch zu spät! Krachend, in majestätischer
Zeitlupe, fiel die Münze um.
Klimp...
***
Ich saß draussen auf einem Wollmantel,
den ich über dem sommertrockenen Gras ausgebreitet hatte. Mit dem
Rücken an die von der Sonne erwärmte Tempelmauer gelehnt ,
blinzelte ich in die ockerweißen Wolken empor. Daran mußte ich mich
erst wieder gewöhnen: Sitzen, lehnen, blinzeln, atmen. Es fühlte
sich gut an. Es war sagenhaft. Lebendig an einer warmen Tempelmauer
sitzen. Es gab nix besseres! Naja... ein kühles Bier hätte die
Sache vielleicht abgerundet.
Um die Ecke hörte ich Schritte,
leichte, weibliche Schritte. Es war Sally. Sie kam rüber und setzte
sich zu mir ins Gras. Sie legte ihre Hand in die meine. Gemeinsam
blinzelten wir hoch zu den Wolken, deren Ockerweiß immer goldener
wurde. Bald würde es dunkeln. Alles war gut.
„Du, Hank?“
„Yeah Baby?“
„Es ist schön, dich wieder am Leben
zu sehen.“
„Keine Einwände meinerseits.“
„Es war ein ziemlicher Akt, dich
hierher zu schleppen, weißt du?!“
„Hhmm...“
„Bayan und Jaheira, sie waren ja
nicht ausgesprochen dafür, dich hier in den Tempel zu schaffen...“
„Nicht dafür, Baby? Die wollten mich
den Raben zum Fraß überlassen.“
„Naja, aber sie haben schließlich
den Losentscheid akzeptiert, das mußt du zugeben.“
„Hhmmm....“
„Und sie haben beim Tragen geholfen.“
„Hhmmm...“
„Ich meine – naja, man kann sie
doch verstehen. Jaheira hatte ja auch recht, es war eine verdammt
teure Angelegenheit, weißt du?“
„Baby, ich hab das Gefühl, als
wolltest du mir was verklickern, und kämest nicht so recht raus mit
der Sprache.“
„Naja, weißt du – es war teuer und
so und wir mußten alle diese Schuldscheine unterschreiben beim
Priester. Wo drin steht, daß wir, wenn wir das Gold nicht innerhalb
eines Jahres mit den 37,5% Zinsen zurückzahlen, jeder drei Pfund
Fleisch aus seinem eigenen Körper zu schneiden und damit zu zahlen
haben.“
„37,5%? Das ist Wucher! Und warum
gleich drei Pfund? Ich meine, ein Pfund hätte früher locker
ausgereicht. Verdammte Inflation, die Preise fliegen über den
Markt!“
„Hank, es geht darum, daß wir
momentan keinen roten Heller mehr haben. Ob 37 oder 10 Prozent, das
ist da relativ egal. Wir müssen Gold auftreiben und zwar schnell, so
ein Jahr ist rum wie nix.“
„Wieviel?“
„Ich hab den Preis auf 3000
Goldstücke runterdrücken können.“
„Wie – runterdrücken...?“
„Naja, du weißt schon...“
„Baby, ich will nicht, daß du
fremden Priestern deinen Prachthintern hinhältst, nur, um ein paar
Prozente rauszuschlagen!“
„Was hätte ich ihm denn sonst
hinhalten sollen? Meinst du, er hätte deinen Arsch akzeptiert? Mit
all den Haaren dran?“
„Naja, ich weiß nicht. Das geht
irgendwie gegen meine Ehre.“
„Gegen DEINE Ehre?!! Wenn ich meinen
Podex... Und was ist mit meiner Ehre?“
„Für dich ist das ein normaler Job.“
„Hank, ich weiß nicht, ob es eine
gute Idee war, dich wiederzuerwecken.“
„Allright, entschuldige bitte! Aber
was genau willst du jetzt von mir?“
„Wir müssen Gold auftreiben. Und das
können wir nicht allein. Dazu brauchen wir die Hilfe von
Freunden...“
„... solchen Freunden wie diesem
blonden Nigger, oder was?!“
„In der Stunde der Not kann man sich
seine Freunde nicht aussuchen.“
„Woher kommt nur mein Gefühl, als
würdest du manche deiner Sätze aus irgendwelchen Groschenromanen
borgen?“
„Hank, lenk nicht vom Thema ab!“
„Schon gut, schon gut. Brauchst dich
nicht zu sorgen. Bayan ist ein Drecksloch, aber mit Dreckslöchern
hab ich Erfahrung. Kein Problem.“
„Und was Jaheira angeht...“
„Die ist eine verfickte
Kettenhemdschlampe, aber egal. Man kann nicht beides haben, solche
phänomenalen Titten und Moral...“
„Hank!!!“
„Naja, Baby, Ausnahmen wie du
bestätigen die Regel.“
„Findest du meine Titten wirklich
phänomenal?“
„Das weißt du doch...“
„Beweise es mir!“
„Sally, deine Titten sind der Hammer.
Ungelogen! Großes Trinkerehrenwort! Aber weißt du – naja, bis
eben war ich noch tot. Ich bring’s momentan einfach nicht, dafür
wirst du doch wohl Verständnis haben, oder? Ich meine – naja,
warum gucken wir uns nicht einfach erst mal diesen verflucht schönen
Sonnenuntergang an?! Wenn man eine Weile weg war vom Fenster, dann
lernt man, auch an den kleinen Dingen Gefallen zu finden.“
„Hank, kann es sein, das mit deiner
Potenz was nicht in Ordnung ist?“
„Du bist zu fleischlich fixiert,
Sally. Potenz ist nicht alles...“
„Potenz ist alles! Potenz –
potentia – die Möglichkeit, die Kraft, die Fähigkeit! Das ist
alles! Was soll da sonst noch sein, wenn es nicht mal mehr die Kraft
und die Möglichkeit gibt und all dieses Zeug?“
„Herrgottnochmal, ich bin ganz
einfach müde, okay? Sowas schlaucht, diese Wiedererweckung und der
ganze Kram. Das steckt man nicht einfach so weg! Ich bin ja nicht
mehr der Jüngste. Klar, früher, da gab’s für mich gar keinen
Kater, aber heute ist das anders...“
„Oh Mann, jetzt komm mir nicht wieder
mit deinen Heldentaten von früher! Früher war Hank der Größte,
früher hatte Hank den Längsten, Härtesten, Größten, früher war
Hank der Hengst des ganzen Viertels, früher... Immer wenn du so
redest, dann kommt es mir vor, als würde ich meinen Großvater
hören. Zahnlos vorm Küchenofen sitzt er und nuschelt von seinen
Kriegserlebnissen rum. Früher war früher. Jetzt ist jetzt. Also –
was ist jetzt?“
„Ich hab Migräne...“
„Verflucht nochmal, was soll das
jetzt? Ich habe dem Priester meinen Allerwertesten hingehalten –
und jetzt soll das umsonst gewesen sein? Wozu haben wir dich denn
wiedererwecken lassen, wenn du ihn jetzt nicht mal mehr hochkriegst?
Kopfschmerzen! Daß ich nicht lache! Was ist los mit dir?
Wechseljahre? Eisprung?“
„Sally, kannst du mir einen Gefallen
tun?“
„Du tust mir ja auch keinen!“
„Sally, laß es uns auf später
verschieben. Morgen oder so. Wenn ich wieder etwas fitter bin. Jetzt
bin ich nicht in Stimmung. Du hast phänomenale Möpse, da ist gar
nix zu diskutieren, dazu steh ich, die Dinger sind unerreichbar,
dagegen verblassen die von Jaheira wie ein Eis in der Sonne...“
„Jaheira, Jaheira,
Jaheira!!! Ich glaube, du hast die ganze Zeit nur dieses
Flittchen im Kopf. Willst dir den Saft für sie aufsparen, wie?“
„Och Mönsch, Sally, nun sei doch mal
entspannt! Du hattest sie doch ins Gespräch gebracht! Du wolltest
doch, daß ich ihr verzeihe...“
„Naja, schon, aber...“
„Siehste! Komm, wir vertragen uns und
gucken uns diesen Sonnenuntergang an.“
„Na gut.“
„Es ist ein unglaublich rotgoldener
Sonnenuntergang.“
„Wenn du meinst...“
„Wie diese rote Kugel da majestätisch
hinter den Gräsern wegsinkt!“
„Jaja...“
„Und hörst du? Die Vögel, sie
verstummen. Die gehen alle pofen.“
„Hank?“
„Yeah, Baby?“
„Eis schmilzt in der Sonne, es
verblaßt nicht.“
„Naja, dann schmilzt es eben.“
„Aber wie können Jaheiras Titten
denn schmelzen?“
„Sowas nennt man poetische Freiheit.“
„Ach so.“
„Sally, du bist ein Schatz.“
„Hhmmm...“
Sie kuschelte sich an mich und während
die Sonne sich verkrümelte, dämmerte auch meine Sally langsam weg.
Bald schlief sie fest, ihren süßen Mund ein wenig geöffnet, und
schnarchte ganz leise und fein. Passend zum Zirpen der Grillen. Es
war eine sehr, sehr laue Nacht. Während die Dunkelheit schon länger
hereingebrochen war, strahlte die Tempelmauer immer noch Wärme aus.
Manchmal paßt alles zusammen. Manchmal gibt es goldene Stunden im
Leben. Mit Frieden und Geborgenheit und all dem Zeug, was sonst noch
dazugehört. Sternschnuppen am Firmament, der Gesang einer Nachtigall
und ein runder, weicher Frauenarsch, an den man sich schmiegen kann.
Es sind diese Momente, deretwegen sich das Leben lohnt. Man schwebt
so in seiner Existenz, schwerelos, ohne Anstrengung, es ist alles gut
in den goldenen Stunden.
Leider sind sie selten.
Ich wachte auf, weil Sally sich im
Schlaf rumgedreht hatte. Dadurch rutschte ich zur Seite weg, mein
Kopf schrappte an der Tempelmauer entlang, ich riß mir das halbe Ohr
ab und landete mit der Schnauze im taunassen Gras. Sally schien
irgendwas Komisches zu träumen, sie murmelte und wimmerte im Schlaf.
Irgendwie hatte sie es geschafft, den Mantel, auf welchem wir
gesessen hatten, um sich herumzuwickeln. So lag sie da friedlich,
warm eingemümmelt, und redete in ihren kleinen Mädchenträumen. Ich
saß mit einem vom Tau durchnäßten Hosenboden da, mein Ohr blutete
vor sich hin und es war inzwischen saukalt. Wie spät mochte es sein?
Ich guckte hoch zu den Sternen. Keine Ahnung, wie man von denen die
Uhrzeit ablesen konnte. Ich wußte ja nicht mal, ob die sich nun
rechts- oder linksrum drehten. Es war ganz einfach mitten in der
Nacht, das mußte mir reichen. Ich stand auf, ging ein paar Meter in
die Dunkelheit hinein und shiffte ins Gras. Und jetzt? Was lag an?
Vielleicht hatte der Priester von
diesem komischen Tempel noch ein Zimmer mit Bett frei. Zumindest eine
Mönchszelle oder etwas in der Art. Leider waren die Tempeltüren
verschlossen, ich latschte einmal ums ganze Gebäude und da war nicht
mal irgendwo ein Fenster offen. Na fein! Ich hörte ein klagendes
Rufen.
„Hank? Hank, wo bist du?!“
„Hier, Baby.“
„Ach da...“ Sally schien von ihren
Träumen geweckt worden zu sein. Sie kam rüber zu mir, ich erkannte
ihre Silhouette im Mondlicht. Sie schleifte etwas hinter sich her.
Den Wollmantel. So konnte er sich schön mit dem kalten Tau
vollsaugen.
„Hör mal Hank, ich glaube, ich hab
eben ein komisches Heulen gehört, du nicht auch?“
„Ich dachte, das wärest du gewesen.“
„Nö, ich heule doch nicht. Für mich
hörte sich das wie das Heulen eines Hundes an. Oder eines Wolfes
oder so.“
„Mensch, jetzt hör auf, einem alten
Mann Angst einzujagen! Erzähl lieber mal, wo die anderen abgeblieben
sind.“
„Siehste, das wollte ich dir ja
vorhin schon erzählen: Die sind in das Nachbardorf gegangen, um sich
mal etwas umzuschauen.“
„Das ist jetzt aber schon ne Weile
her, oder?“
„Naja...“
„Was machen wir jetzt? Ich friere mir
hier so langsam den Arsch ab.“
„Wie wäre es mit einem romantischen
Mondspaziergang?“
Frauen, die in fünfeckigen Räumen zu
hausen pflegen, haben manchmal so abgedrehte Ideen. Romantischer
Mondspaziergang! Ich rüttelte lieber etwas an den Fensterverschlägen
des Tempels. Erfolglos. Schon wieder heulte es in der Nähe. Verdammt
nah in der Nähe. Hinter uns, im Dunkeln. Ich drehte mich zu dem
Heulen um. Da war nichts, nur Finsternis, aufgelockert von ein paar
Schatten. Doch, da war noch was. Ein Schnüffeln.
„Sally, hast du eben geschnüffelt?“
„Das gleiche wollte ich eigentlich
dich fragen, Hank!“
Etwas raschelte da im Dunkeln. Und
tapste. Und schnüffelte. Und leuchtete. Leuchtete? Ja, doch, da
waren einige fahlgelbe Lichtpunkte in der Dunkelheit. Zwei. Vier.
Acht...
„Sally, weißt du, was eine
Räuberleiter ist?“
„Zeig es mir bitte ganz, ganz
schnell! ...“
Ich zeigte es ihr. Sie lernte rasch.
Der Tempel hatte ein Flachdach. Ich wuchtete meine neunzig Kilo da
hoch. Sie warf mir den nassen Mantel hinterher. Ich hielt ihn von
oben so runter, daß sie sich daran emporziehen konnte. Es krachte
verdächtig in den Nähten, aber er hielt. Er hätte auch nicht
reißen dürfen. Denn noch im letzten Moment blitzten im Mondlicht
plötzlich eine Reihe langer, spitzer, weißer Zähne auf und
schnappten nach Sallys linkem Fuß, den sie zu spät hochzog.
„AAAAARRRRGHHH!!“, schrie sie,
„Verdammt, verdammt, verdammt, verdammt...“
„Baby, was ist?! Oh mein Gott, zeig
her, wir können die Blutung vielleicht irgendwie stoppen...“
„Welche Blutung, zum Henker? Argh,
dieses Mistvieh, dieses zottelige Monster, dieser stinkende Sohn
einer Hündin! Hier, siehst du, Hank? Hier, schau, was er mir angetan
hat!“
Ich schaute mir ihren Fuß an. Er war
hübsch, dieser Fuß, schlank an der Fessel, weich und bleich
schimmernd im Mondlicht. Ich konnte keinen Kratzer entdecken.
„Baby, ich kann keinen Kratzer
entdecken!“
„Ja, Herrimhimmel, und warum wohl?
Weil er weg ist!“
„Sally, da ist noch alles, wie es
sein sollte, da fehlt nichts!“
„TYPISCH MANN!!!“
Und dan sah ich es. An ihrem rechten
Fuß. Einen Schuh. Einen hübschen blauen Schuh aus Kalbsleder. So
mit recht hohem Absatz dran. Passend zu ihrem Kleid. Freilich, eine
Katastrophe. Nicht nur, daß dort unten, kaum drei Meter tief, sich
eine Vollversammlung sämtlicher Wölfe der Schwertküste eingefunden
hatte, die beratschlagten, mit welcher Soße sie uns verspeisen
sollten – nein, Sally hatte auch noch ihren Lieblingsschuh
eingebüßt, den ihr mal einer ihrer Freier aus den guten alten
Kerzenburgzeiten geschenkt hatte. DAS waren echte Probleme.
Ich wrang den Mantel aus, setzte mich
drauf, popelte in der Nase und versuchte, die Ergebnisse dieser
Bohrübungen in eines der gelben Augen zu schnippen, die drunten
gierig emporstarrten und über das System der Räuberleiter
sinnierten. Sally schimpfte und kreischte noch ein Weilchen, dann
setzte sie sich neben mich. Es war kalt. Wir warteten.
0 Comments:
Kommentar veröffentlichen
<< Home